Der große Stechlinsee

Story No. 5 – Endspurt in den Frühling

… ups, wer hat da den Kalender so schnell umgeblättert? Hello spring!

“So muss man leben: Immer die kleinen Freuden aufpicken, bis das große Glück kommt. Und wenn es nicht kommt, dann hat man wenigstens die ‘kleinen Glücke’ gehabt”. Theodor Fontane

“Der Stechlin” ist Theodor Fontane’s letzter Roman. Er erschien 1898, einen Monat nach seinem Tod. Sein Titel bezieht sich auf die Hauptfigur im Roman, den alten Dubslav von Stechlin. Benannt nach dem “Großen Stechlinsee” im Norden Brandenburgs. Der herrliche See schmiegt sich idyllisch in die märkische Landschaft hinein, und ist umgeben von Mooren und Moorwäldern, die weitestgehend sich selbst überlassen werden. Seit 1938 steht er unter Naturschutz und gehört zum Naturpark Stechlin-Ruppiner Land.

Es wird ja derzeit viel über die positive Wirkung des Waldes auf Körper und Geist gesprochen, Stichwort “Waldbaden”. Als ich letzten Sommer am bewaldeten Ufer des Stechlinsee entlang ging, bekam ich zum ersten Mal eine Ahnung davon, was damit gemeint sein könnte. An diesem trüben Tag im Juli waren kaum Menschen unterwegs. Und es war Dienstag, da nimmt der Osten Deutschlands einen kollektiven Ruhetag. Mich überkam beim Spazieren entlang des Seeufers auch eine tiefe innere Ruhe. Ein Gefühl von Entschleunigung, von “nur im Augenblick” sein. Bevor ich aus dem Schwärmen über diese fantastische, sehr ursprünglich wirkende Natur nicht mehr herauskomme, zurück zu einem der größten deutschen Dichter und Schriftsteller.

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Theodor Fontane wird am 30. Dezember 1819 in Neuruppin geboren. Zu seinen bekanntesten Werken gehören die Romane “Effi Briest”, “Irrungen, Wirrungen” und eben der “Der Stechlin”.

Als Teenager hat mich sein Gedicht “John Maynard” eine Weile nicht mehr losgelassen. Immer wieder habe ich die Ballade vom tapferen Steuermann, der sein Schiff von Detroit nach Buffalo über den stürmischen Eriesee manövriert, rezitiert. Es war die tragische Geschichte, die mein Herz berührte. Aber auch die Faszination einer für mich damals sehr fernen Welt, Amerika. Dass ich viele Jahre später in der Nähe von Detroit und Eriesee eine Weile leben würde, wusste ich da ja noch nicht. Auch nicht, dass mein Sohn sich dieses Gedicht für den Vorlesewettbewerb an der Deutschen Schule aussuchen würde. Like mother like son 😉

Zur Erinnerung die ersten Zeilen …

“John Maynard war unser Steuermann, aushielt er bis er das Ufer gewann,
er hat uns gerettet, er trägt die Kron’, er starb für uns, unsre Liebe sein Lohn. John Maynard. Die “Schwalbe” fliegt über den Erie-See, Gischt schäumt um den Bug wie Flocken von Schnee, von Detroit fliegt sie nach Buffalo – Die Herzen aber sind frei und froh.”

Fontane widmete sich erst 1949 ausschließlich dem Schreiben, nach verschiedenen Stationen als Apotheker. Von 1855 – 1859 arbeitete er als Korrespondent für die Berliner “Zentralstelle für Presseangelegenheiten” in London. Zurück in der Heimat begann er Reiseliteratur zu verfassen. Seine Bücher und Artikel über unbekannte Länder erfreuten sich großer Beliebtheit, da es zu dieser Zeit nur wenigen Menschen vergönnt war, selber zu reisen. Auch seine Heimatstadt Neuruppin wurde zum Gegenstand seiner Reisebeschreibungen. 1861 entstand das Buch “Grafschaft Ruppin” gefolgt von mehreren Bänden “Wanderungen durch die Mark Brandenburg”.

Schloß Rheinsberg erinnerte Fontane an die schottische Burg “Loch Leven Castle”.

Nach zahlreichen Reisen durch Europa fand er, dass seine Heimat es auch verdient hätte, von ihm gewürdigt zu werden. Er nahm sich vor, die Besonderheiten von Landschaft und Kultur seiner brandenburgischen Heimat zum Gegenstand seiner Arbeit zu machen. Dreißig Jahre lang wanderte er fortan durch “seine” Mark Brandenburg. “Ich bin die Mark durchzogen und habe sie reicher gefunden, als ich zu hoffen gewagt hatte.” Auf Fontane’s Spuren kann man heute Schlösser, Klöster, Orte, Landschaften, Menschen und deren Geschichten entlang der Fontanewege entdecken – zu Fuß oder mit dem Rad. Eine Portion Ost-Charme inklusive. Draußen nur Kännchen und Dienstags geschlossen. Hatte ich erwähnt, dass wir an einem Dienstag dort waren?

Heimat entdecken – das war für viele im letzten Jahr das Gebot der Stunde. Wanderungen und Radtouren in der nahen Umgebung, Stadtspaziergänge, Mikroabenteuer vor der eigenen Haustüre, Urlaub in Deutschland. Wir haben Großartiges und Neues in den kleinen Unternehmungen gesucht. Sehr oft waren wir überrascht, was wir fanden. Viele “kleine Glücke” eben.