National Single Child Day
Hi there!
Yes, that’s right! Heute ist in Amerika “National Single Child Day” – Nationaler Einzelkind-Tag. Bevor wir auf die andere Seite des Atlantiks zogen, kannte ich den Muttertag, den Vatertag und den Valentinstag. Vom “Pancake Day” oder “Pi(e)-Day” (Achtung Wortspiel, hier wird die Zahl Pi gefeiert. Ist aber eigentlich nur ein Vorwand, um Apple-Pie, Chocolate Pie & Co in der Schule zu essen) hatte ich hingegen noch nie etwas gehört. Apropos Lebensmittel: fast jedes hat seinen Tag: Cookie Day, Pizza Day, Carrot Day … you name it, you got it! Das ist übrigens nicht zu verwechseln mit dem wöchentlich zelebrierten “Meetless Monday” (ok, für manche “Meatloaf Monday”), Taco-Tuesday oder Fish-Friday. Es gibt aber auch “non-food”-Tage wie den “National Puzzle Day”, den “National Thank you card day” oder die “Hunt for Happiness Week” (klar, das ist an einem Tag nicht zu schaffen), den “National Cuddle Up Day” (alle mal schön kuscheln), den “National cut your energy cost day” (mmmh, ob damit wohl gemeint ist, dass man die Lichter rund ums Haus nicht 24/7 brennen lässt?). Das muss mal an anderer Stelle geklärt werden.
Heute also “National Single Child Day”. Ha, und da schnellt mein Blutdruck ordentlich in die Höhe, und mir schwirren zu dem Thema so viele Gedanken durch den Kopf, dass ich hier und heute endlich mal die Gelegenheit nutze, ein paar davon rauszuhauen. Und sagt nicht, ich hätte euch nicht gewarnt: das wird persönlich. Ich habe vor ein paar Jahren bei einem Kunstprojekt auf die riesige Kreidetafel mit der Frage “Before I die, I want to …” zwei Dinge geschrieben: erstens: travel the world (klar!), zweitens: write a book. Als Thema hatte ich da “Einzelkinder” im Kopf. Nicht wissenschaftlich. Mehr so in die Richtung “Allein, ja und?” “Ohne Geschwister glücklich” oder “Ich bin gerne Einzelkind”. Zugegeben: mir ist noch kein Knaller-Titel eingefallen. Dafür werde ich wütend, wenn ich Titel oder Überschriften wie “Braucht ein Kind Geschwister?” oder “Typisch Einzelkind”, “Formen Geschwister einen besseren Charakter” oder “Einzelkinder – die Singles von morgen” lese. Die implizieren für mich alle, dass vor Einzelkind-Zimmern ein roter Teppich liegt und dahinter egoistische, launische, beziehungsunfähige, unglückliche Wesen heranwachsen.
Bis zum Buch mag noch etwas Wasser den Rhein hinunter fließen (vielleicht, wenn ich vor lauter Bemutterung meines Einzelkindes mal Luft habe) … aber für einen Beitrag hier am “National Single Child Day” (da muss man erst mal drauf kommen) ist jetzt Zeit. Ich muss ja nicht los, Geschenke kaufen. Denn das machen amerikanische Einzelkind-Eltern. Ihre Kinder sollen wertschätzen, dass sie nicht mit Geschwistern teilen müssen. Außerdem sollen sie sich heute gut fühlen. Damit auch ihre Eltern sich gut fühlen können? Weil sie kein Geschwister geliefert haben, aus welchen Gründen auch immer? Schlechtes Gewissen besänftigen? Weil sie sich der gesellschaftlichen Norm (gewollt oder ungewollt), mindestens zwei Kinder in die Welt zu setzen, entzogen haben? Puh, krass. Und wenn die Geschenke ausgepackt sind, treffen sich die armen Einzelkinder mit ihren imaginären Freunden oder reiten ihr Pony aus, oder wie?
Genau, ich bin eine Einzelkind-Mutter. Meine Mutter war Einzelkind. Mein Neffe ist eines. Einige meiner besten Freunde sind Einzelkinder. Ebenso eines meiner Patenkinder. So what? Eigentlich kein Thema. Doch. Immer wieder, und hier noch viel öfter. Meine erste Erfahrung mit dem Thema habe ich gemacht, als ich hochschwanger war. Da fragte mich jemand, wie viele Kinder denn noch geplant seien. Abgesehen davon, dass ich diese Frage für jemanden, den ich nur flüchtig aus dem Job-Umfeld kannte, deutlich zu persönlich finde, antwortete ich in Beckenbauer Manier “schau’n wir mal”. Antwort in Holzhammer-Manier: “Ein Einzelkind ist ein Verbrechen am Kind.” Autsch. Meine anerzogene Höflichkeit, das Umfeld und sicherlich die Glückshormone ob der bevorstehenden Geburt meines Erstgeborenen bewahrten Mr. Unsensibel vor Schlimmerem.
In Deutschland befand ich mich mit meinem Einzelkind in guter Gesellschaft, da gab es viele Einzel-Kind-Familien in unserem Umfeld. Mit einigen sind wir aus der Kindergarten- oder Schulzeit noch immer gut befreundet. Zufall? Oder ziehen Familien mit Einzelkind sich gegenseitig an? Oder Einzelkinder untereinander. Vielleicht. Als wir dann im Sommer 2013 hierher zogen, war es aus mit der guten Gesellschaft. Hier ging es gleich beim “Meet & Greet” an der neuen Schule los: “Ist das Dein jüngster?” Frechheit, warum nicht mein “Ältester”? Aber meine persönliche Eitelkeit mal außen vor gelassen. Hinter der Frage steht, dass es in jedem Fall Bruder und/oder Schwester gibt. Weil “Vater/Mutter/Kind” keine richtige Familie ist? Auch beliebt “Oh, Du hast ‘nur’ ein Kind”?. “Nur” hört sich nach zu wenig an. Wie kann man zu wenig haben, wenn man ein wunderbares, gesundes Kind hat, dessen Aufwachsen man begleiten darf? Es gibt doch viele Wege, sein Leben zu leben und zu gestalten. Keiner ist richtig oder falsch, zu viel oder zu wenig. Garantien für Glück gibt es ohnehin nicht.
Jedem also seinen eigenen Lebensentwurf, ohne mitleidige Blicke. Ich habe sogar mal von glücklichen Menschen ohne Kinder gehört. Und Einzelkinder brauchen ganz sicher keine Sonderbehandlung. Sie wollen nur als ganz normale Kinder wahrgenommen werden. Wichtig erscheint mir, dass man sie zu starken, unabhängigen Menschen mit einem gesunden sozialen Umfeld ins Leben entlässt. Dann werden sie durch Krisenzeiten ebenso gut ihren Weg finden, wie Menschen mit Geschwistern. Denn auch eine enge Bindung unter Geschwistern ist kein Naturgesetz. Also danke der Nachfrage Mr. Unsensibel: wir sind komplett. Und das ist prima so.
Und heute nachmittag gehen wir erst mal ein dickes Eis auf den sinnlosesten Tag aller Tage essen. Coffee Toffee, Garden Mint, Chocolate Chip Cookie … Einzelkinder müssen ja nix teilen – ätsch! 😉 Happy National Single Child Day!