Das Strandbad Tegel
Endspurt in den Frühling – Story No. 1
“Das Schöne am Frühling ist, dass er immer dann kommt, wenn man ihn am dringendsten braucht.”
Jean Paul
Hi there!
Das klappt ja seit dem Wochenende schon mal prima. Meine Lockdown-Laune steigt mit jedem lauen Luftzug, mit jedem noch so kleinem Grün da draußen. Der kalendarische Frühlingsbeginn ist am 20. März. Wer Lust auf frisch servierte brittamachtblau Geschichten vom deutschen Reisesommer und -herbst 2020 hat: voilà! “Endspurt in den Frühling” – fröhlich in die nächsten vier Wochen eingestreut. Vielleicht mit der ein oder anderen Anregung für deutsche Reise-Abenteuer 2021. Who knows? Die Meteorologen “befehlen” den Frühling übrigens schon für den 1. März. Da mischen sich in diesem Jahr dann frisch geschnittene Köpfe ins frische Grün. 😉
Hier geht es mit einem “Lost Place” los, einem vergessenen Ort. Eingeworfene Scheiben, wild wucherndes Grün, vor sich hin gammelnde Gebäude, staubige Relikte aus besseren Zeiten signalisieren mir nicht “hier gibt es nix zu gucken”, sie ziehen mich magisch an. Ich mag es, das Morbide festzuhalten und die einstige Schönheit hinter Staub und Verfall zu erahnen. Mir vorzustellen, wie das Leben war, bevor der Ort verlassen wurde. Aber das wisst ihr ja schon.
Im letzten Jahr sind einige verlassene Orte vor meine Fotolinse gehuscht. Und da ich bei diesem frühlingshaften Wetter leicht übermütig werde und an den ersten Sprung in einen See oder Pool denke, habe ich mich als erste Geschichte für das Strandbad Tegel im Berliner Bezirk Reinickendorf entschieden. Seit 2016 steht dort die Uhr still.
Also nüscht wie raus zum Tegeler See. Wunderschön liegt das leere Strandbad mitten im Tegeler Forst. Die Berliner sind Wasserratten, die Berliner Bäder Betriebe die größte Betreibergesellschaft von Bädern und Badeseen in Europa. Bis 2016 betrieb die BBB auch das Strandbad Tegel. Zuletzt kamen wohl immer weniger Besucher, wofür u.a. die Einstellung der Buslinie, die bis zum Bad fuhr, verantwortlich gemacht wird.
Das Schild am Eingang hat Moos angesetzt, die Tischtennisplatten auch.
Der Spielplatz ist leer, hier hört man keine Kinder toben und lachen.
Die blauen Schließfächer in der Umkleide scheinen hoffnungsvoll auf Badegäste zu warten. Einige kommen trotz verschlossener Tore dennoch. Sie werden regelmässig von einer Sicherheitsfirma verscheucht. Dann haben die Enten und Schwäne die Bucht zwischen dem 500 Meter langen Sandstrand, der einsam vor sich hin dümpelnden Badeinsel, der Rutschen-Platform und der verwahrlosten Bademeisterkabine, die man über einen zugewucherten Steg erreicht, wieder für sich.
Aber es gibt gute Neuigkeiten: das seit fast fünf Jahren vor sich hin rottende Strandbad soll im Mai zu neuem Leben erweckt werden. Eine der größten Nachbarschaftsinitiativen der Stadt Berlin hat eine Betreibergesellschaft gegründet, um das Strandbad aus dem Dornröschenschlaf zu holen. Kinder und Jugendliche sollen freien Eintritt bekommen, es sind Freizeit- und Kulturangebote geplant. Liebe Berliner: ihr müsst jetzt janz stark sein. Kulinarisch soll hier demnächst gesund und vorwiegend vegetarisch gekocht werden. Also ran an die Buletten, äh Tofuburger. Es sieht also nach einem Happy End für das 40.000 Quadratmeter große Naturschwimmbad, das 1933 die ersten Badegäste empfing, aus.
“Mit Kind & Kegel auf nach Tegel” steht immer noch trotzig über dem Restaurant. Die Eistafel am Kiosk verspricht “Sommer im Herzen”. Ein einsamer Sonnenschirm würde wohl gerne wieder Schattenspender für Badegäste sein.
Ich freue mich wie Bolle auf Badespaß und Tofubulette im neuen Strandbad Tegel … aber auch überall sonst. Bis dahin versuche ich mit Sommer im Herzen durch den Lockdown zu kommen.