Berlin

Gleis 17, Bahnhof Grunewald

Manchmal stößt man unterwegs unverhofft auf Orte, die man nicht auf dem Zettel hatte. Eine Berlin Radtour führt uns durch den Fußgängertunnel am S-Bahnhof Grunewald. Da man sein Rad durch den Tunnel schieben muß, fällt mir das schlichte Schild überhaupt nur auf. Am anderen Ende des Bahnhofs angekommen und eigentlich bereit, die Tour fortzusetzen, lässt mir der Hinweis keine Ruhe. So bin ich zurückgegangen und die Stufen zum ehemaligen Gleis 17 hinaufgestiegen.

Oben am Gleis angekommen, ist plötzlich Stille. Die Geräusche des Bahnhof Grunewald wie ausgeschaltet. Der Ort so friedlich, dass es schwer vorstellbar ist, was hier zwischen Herbst 1941 und Frühjahr 1942 stattgefunden hat. Von Gleis 17 aus wurden deutsche Juden, Sinti und Roma mit Zügen der Deutschen Reichsbahn in Arbeits- und Konzentrationslager deportiert. Die Deutsche Bahn AG hat dieses zentrale Mahnmal 1998 errichten lassen. Auch als Erinnerung an alle anderen Deportationstransporte, die während der NS-Herrschaft mit Zügen der Deutschen Reichsbahn durchgeführt wurden.

Für jeden Transport, der von Berlin aus abging, ist auf beiden Seite der Bahnsteigkante eine gusseiserne Platte eingelassen. Sie nennt das Datum, die Anzahl der Menschen und den Bestimmungsort. Die 186 Platten fügen sich – chronologisch angeordnet – zum Kernteil des Mahnmals zusammen. Ein Mahnmal, das an die mit brutaler Konsequenz geplante Logistik der Deportation erinnert. Das wird beim Entlanggehen auf dem ehemaligen Bahnsteig spürbar. Teile der Gleise sind mittlerweile zugewachsen, die Schienen haben Rost angesetzt. Die Natur und der Verfall sind wohl bewusste Bestandteile des Mahnmals. Wenn die beschrifteten Stahlplatten Erinnerung und Warnung sind, so stehen die Bäume als unüberwindbare Barriere dafür, dass hier nie wieder ein Zug abfahren wird.

Das Mahnmal “Gleis 17” ist in seiner Konzeption schlicht und nüchtern. Aber der kurze Moment des Innehaltens wirkt sehr kraftvoll nach.

Heissa Holzmarkt

Irgendwie kam sie mir bekannt vor. Die Diskokugel, die Besucher am Eingang zum Holzmarkt willkommen heißt. Sie war schon da, als hier noch die Bar25 stand. 10 Jahre liegen zwischen meinen beiden Besuchen auf dem direkt an der Spree gelegenen Quartier unweit des Ostbahnhofs. Das Gelände, einst Teil des ehemaligen Mauerstreifens, sollte eigentlich auch im Rahmen des groß angelegten Investorenprojektes “Mediaspree” bebaut werden.

Der Holzmarkt ist ein Gegenentwurf zu einer Stadtentwicklung, die nur durch private Investoren getrieben ist. Ein Gegenpol zu langweiliger Einheits-Architektur. Berlin wird ärmer an solchen bunten, unvollkommenen Orten, die Raum für Kreative und Kulturschaffende bieten.

Die Bar25 begann 2004 hier als Zwischennutzung. Aus einer kleinen Holzbude, an der man Bier kaufen konnte, wurde ein international bekannter Techno-Club. Das Außengelände war ein Spielplatz für Große. Es gab Schaukeln, ausrangierte Autoscooter und Karusselpferde, die Bar war wie ein amerikanischer Saloon gestaltet. Ich habe mit einer Freundin inmitten dieser bunten, urbanen Subkultur 2010 einen unvergleichlichen Sommerabend verbracht. Kurz danach musste die Bar25 schließen. Die Erinnerung an diesen Ort mit seiner besondere Stimmung ist uns geblieben.

10 Jahre später. Die Macher der Bar25 habe auch das neue Quartier Holzmarkt geschaffen. Seit 2017 ist hier ein “urbanes Dorf für Menschen aus der Nachbarschaft und aus der ganzen Welt” entstanden. “Lebendig, grün und kreativ – nie fertig, stets im Werden”, wie auf ihrer Webseite zu lesen ist. Und mit den leckersten Apfel-Zimt-Schnecken (aus der Bäckerei Backpfeife) Berlins, wie ich ergänzen möchte. Mit warmer Schnecke und Kaffee aus der French Press setzt man sich dann auf eines der Holzpontons direkt am Spreeufer und genießt. Den Blick auf’s Wasser, die Sonnenstrahlen, die unbekümmerte Stimmung.

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Anschließend kann man im World Trash Center exzentrische Kunst und Möbel anschauen. Im Weinladen nach leckeren Tropfen stöbern. Es sich bei Kater Schmaus schmecken lassen. Craft Beer in der Holzmarkt Brauerei kosten. Oder sich einfach von der besonderen Atmosphäre des Holzmarktes verzaubern lassen.

Der Holzmarkt25 soll dauerhaft bleiben, und diesen Spreeufer-Abschnitt für alle offen halten. Die Diskokugel scheint beim Hinausgehen zuversichtlich in der Sonne zu glitzern.

Der Teufelsberg

Geschichte No. 4 – Endspurt in den Frühling

Hi there!

Großer Lauschangriff. Die zweithöchste Erhebung Berlins bot ideale Bedingungen zum Abhören. Das machte sich der US-Geheimdienst NSA in den 1950er Jahren zu Nutzen. Zunächst mobil, bevor er in den 1960er Jahren auf dem Teufelsberg im Stadtteil Grunewald eine stationäre Abhöranlage mit fünf Türmen errichtete, um Informationen aus dem damaligen Ost-Block und aus den Institutionen der ehemaligen DDR abzufangen. Auch der britische Geheimdienst nutzte die Anlage. Jedoch operierten die beiden Alliierten vollkommen getrennt voneinander. Man munkelt sogar, sie hätten sich gegenseitig abgehört. Bis zu 1.500 Menschen arbeiteten in den markanten weißen Kuppeln der “Field Station Berlin” im Drei-Schicht-Betrieb. Mit immer ausgefeilterer Technik wurde der Teufelsberg zur wichtigsten Lauschstation der Welt. Die “Ohren” reichten bis nach Moskau. Bis heute herrscht über die gesammelten Informationen strenge Geheimhaltung. Erst 2022 sollen sich in den USA die Archive öffnen.

Der Berg, der heute mit seinem fantastischen Blick über Berlin so grün und beschaulich wirkt, ist aufgebaut auf den Trümmern des Wahnsinns der NS-Regierung und des darauf folgenden Zweiten Weltkrieges. In den 1940er Jahren ließ Hitler hier eine “Wehrtechnische Fakultät” bauen. Sie sollte der erste Schritt zur Umgestaltung Berlins zur Hauptstadt von “Germania” sein. Nach Ausbruch des Krieges wurde das Vorhaben 1940 gestoppt, der Rohbau wenig später durch Bomben zerstört. Ein Fundament aus Trümmern blieb, worauf nach Kriegsende rund die Hälfte der Trümmer des zerstörten Berlins gestapelt wurde. Nach und nach wuchs der Berg, dessen Namensgeber der unterhalb gelegenen Teufelssee ist, an. Im letzten Schritt wurde der südliche Teil bepflanzt und aufgeforstet, so dass aus Kriegsruinen ein grünes Naherholungsgebiet entstand.

Nach dem Mauerfall verlor die Abhörstation ihre Daseinsberechtigung. Sie operierte noch bis 1992 und wurde anschließend kurze Zeit für die zivile Luftüberwachung genutzt. Nachdem einige private Investoren mit ihren Projekten (Exklusive Appartements, Hotel, Spionage Museum, Yoga-Zentrum) scheiterten, begann die Anlage zu verfallen.

Seit 2018 steht der Teufelsberg als Relikt des Kalten Krieges unter Denkmalschutz. In der von Wäldern umgebenen Anlage dürfen keine neuen Gebäude errichtet werden. Das Gelände befindet sich aktuell im Privatbesitz der Investorengemeinschaft Teufelsberg Berlin und kann offiziell besichtigt werden. Künstler aus aller Welt haben auf den Wänden der Gebäude eine riesige Graffiti-Galerie errichtet. Die eindrucksvollen, bunten Wandbilder sind bis zu 270 Quadratmeter groß.

Die herrlichen Rundum-Blicke, die bunte Street Art Szene, die geheimnisumwitterte Geschichte und der morbide Charme machen den Teufelsberg zu einem spannenden Ziel im Grunewald. Die ehemaligen Abhörtürme mit den im Wind flatternden Stofffetzen wirken wie aus einer anderen Welt.

Die Max Liebermann Villa

Story No. 3 – Endspurt in den Frühling

An diesem grauen Donnerstag braucht es Blumen. Viele Blumen. Und Farbe. Viel Farbe. Und blauen Himmel. Viel blau.

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Wie wäre es mit einer kleinen Reise in das bezaubernde Blumenmeer der Max Liebermann Villa am Wannsee. Der Maler war 62 Jahre alt, als er 1909 eines der letzten freien Wassergrundstücke am Wannsee erwarb. Der vorderseitige Bauern- und Staudengarten ist wunderschön angelegt und zeigt sich dem Besucher zuerst. Im ehemaligen Gärtnerhaus kauft man heute Tickets und Souvenirs. Die eigentliche Villa mit ihrer riesigen Terrasse, die von jedem Raum im Erdgeschoß betreten werden kann, öffnet sich zum Wasser hin. Sie dient heute als Restaurant. Der fantastische Blick über die Blumenterrasse, eine große Wiese, Heckengärten und Birkenallee bis hin zum Wannsee ist inklusive.

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1910 bezog Max Liebermann mit seiner Familie das Haus. Bis kurz vor seinem Tod 1935 verbrachten sie hier die Sommermonate. Was folgte war eine wechselhafte Geschichte. Von den Nazionalsozialisten gezwungen musste Martha Liebermann die Villa 1940 an die Deutsche Reichspost verkaufen. Gegen Ende des Krieges wurde dort ein Lazarett eingerichtet. Nach 1945 erwarb die Chirurgische Abteilung des Städtischen Krankenhauses Wannsee das Gebäude und Max Liebermanns Atelier wurde zum Operationssaal umfunktioniert. Die mittlerweile in den USA lebende Tochter der Liebermanns erhielt die Villa 1951 zurück. Deren Tochter wiederum verkaufte sie 1958 an das Land Berlin, die den Standort an den Deutschen Unterwasser-Club als Vereinsheim und Ausbildungsstätte für Taucher verpachtete.

Schließlich konnte die Max-Liebermann-Gesellschaft 1995 erreichen, das die Villa unter Denkmalschutz gestellt wird. Zwei Jahre später beschloss der Berliner Senat endlich die Nutzung als Museum. Von 2002 bis 2006 restaurierte die Max-Liebermann-Gesellschaft die Gebäude mit privaten Mitteln. Der alte Glanz kehrte zurück und für heutige Besucher sehen Haus und Garten so aus, als würde die Familie Liebermann hier noch ihre Sommer verbringen. Auch der historische Liebermann-Steg, über den man auf eine Aussichtsplattform im Wasser gelangt, ist wieder hergestellt.

Noch ein paar Worte zum Maler und Grafiker Max Liebermann selbst. Er wurde 1848 in Berlin geboren und gehört zu den bedeutendsten Vertretern des deutschen Impressionismus. Von 1920 bis 1933 leitete er die Preußische Akademie der Künste. Diese Arbeit legte er, der jüdischen Glaubens war, 1933 aus Protest gegen die antisemitische Propaganda der Nationalsozialisten nieder. “Ich kann gar nicht so viel fressen, wie ich kotzen könnte” soll er beim Anblick eines Fackelzuges anläßlich der Machtübernahme Hitlers gesagt haben. Puh, jetzt hat das viele Bunt doch noch ein dunklen Schleier bekommen. Aber er gehört leider dazu. Zur Lebensgeschichte von Max Liebermann.

Wenn das einstige Sommerhaus des Malers mit seinem Museum wieder öffnet, ist die Dauerausstellung “Die Gartenbilder” neben dem spektakulär schönen Außenbereich mit seiner üppiger Bepflanzung und der einmaligen Lage am Wannsee einen Besuch wert. Sie umfasst mehr als 200 Gemälde von Max Liebermann, die er alle in dem nach seinen eigenen Ideen gestalteten Garten malte. Was für ein großes Glück, in einer so fantastischen Kulisse arbeiten zu können.


Das Strandbad Tegel

Endspurt in den Frühling – Story No. 1

“Das Schöne am Frühling ist, dass er immer dann kommt, wenn man ihn am dringendsten braucht.”

Jean Paul

Hi there!

Das klappt ja seit dem Wochenende schon mal prima. Meine Lockdown-Laune steigt mit jedem lauen Luftzug, mit jedem noch so kleinem Grün da draußen. Der kalendarische Frühlingsbeginn ist am 20. März. Wer Lust auf frisch servierte brittamachtblau Geschichten vom deutschen Reisesommer und -herbst 2020 hat: voilà! “Endspurt in den Frühling” – fröhlich in die nächsten vier Wochen eingestreut. Vielleicht mit der ein oder anderen Anregung für deutsche Reise-Abenteuer 2021. Who knows? Die Meteorologen “befehlen” den Frühling übrigens schon für den 1. März. Da mischen sich in diesem Jahr dann frisch geschnittene Köpfe ins frische Grün. 😉

Hier geht es mit einem “Lost Place” los, einem vergessenen Ort. Eingeworfene Scheiben, wild wucherndes Grün, vor sich hin gammelnde Gebäude, staubige Relikte aus besseren Zeiten signalisieren mir nicht “hier gibt es nix zu gucken”, sie ziehen mich magisch an. Ich mag es, das Morbide festzuhalten und die einstige Schönheit hinter Staub und Verfall zu erahnen. Mir vorzustellen, wie das Leben war, bevor der Ort verlassen wurde. Aber das wisst ihr ja schon.

Im letzten Jahr sind einige verlassene Orte vor meine Fotolinse gehuscht. Und da ich bei diesem frühlingshaften Wetter leicht übermütig werde und an den ersten Sprung in einen See oder Pool denke, habe ich mich als erste Geschichte für das Strandbad Tegel im Berliner Bezirk Reinickendorf entschieden. Seit 2016 steht dort die Uhr still.

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Also nüscht wie raus zum Tegeler See. Wunderschön liegt das leere Strandbad mitten im Tegeler Forst. Die Berliner sind Wasserratten, die Berliner Bäder Betriebe die größte Betreibergesellschaft von Bädern und Badeseen in Europa. Bis 2016 betrieb die BBB auch das Strandbad Tegel. Zuletzt kamen wohl immer weniger Besucher, wofür u.a. die Einstellung der Buslinie, die bis zum Bad fuhr, verantwortlich gemacht wird.

Das Schild am Eingang hat Moos angesetzt, die Tischtennisplatten auch.

Der Spielplatz ist leer, hier hört man keine Kinder toben und lachen.

Die blauen Schließfächer in der Umkleide scheinen hoffnungsvoll auf Badegäste zu warten. Einige kommen trotz verschlossener Tore dennoch. Sie werden regelmässig von einer Sicherheitsfirma verscheucht. Dann haben die Enten und Schwäne die Bucht zwischen dem 500 Meter langen Sandstrand, der einsam vor sich hin dümpelnden Badeinsel, der Rutschen-Platform und der verwahrlosten Bademeisterkabine, die man über einen zugewucherten Steg erreicht, wieder für sich.

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Aber es gibt gute Neuigkeiten: das seit fast fünf Jahren vor sich hin rottende Strandbad soll im Mai zu neuem Leben erweckt werden. Eine der größten Nachbarschaftsinitiativen der Stadt Berlin hat eine Betreibergesellschaft gegründet, um das Strandbad aus dem Dornröschenschlaf zu holen. Kinder und Jugendliche sollen freien Eintritt bekommen, es sind Freizeit- und Kulturangebote geplant. Liebe Berliner: ihr müsst jetzt janz stark sein. Kulinarisch soll hier demnächst gesund und vorwiegend vegetarisch gekocht werden. Also ran an die Buletten, äh Tofuburger. Es sieht also nach einem Happy End für das 40.000 Quadratmeter große Naturschwimmbad, das 1933 die ersten Badegäste empfing, aus.

“Mit Kind & Kegel auf nach Tegel” steht immer noch trotzig über dem Restaurant. Die Eistafel am Kiosk verspricht “Sommer im Herzen”. Ein einsamer Sonnenschirm würde wohl gerne wieder Schattenspender für Badegäste sein.

Ich freue mich wie Bolle auf Badespaß und Tofubulette im neuen Strandbad Tegel … aber auch überall sonst. Bis dahin versuche ich mit Sommer im Herzen durch den Lockdown zu kommen.

Kaum ein Mensch nirgends – Berlin im Mai

An einem kalten, grauen Dezembermorgen träume ich mich besonders gerne zum letzten Sommer. Und es wird ja auch Zeit, endlich mit der ersten Sommergeschichte anzufangen. Wenn es an dieser Stelle schon keinen Adventskalender gibt. Ho, ho, ho.

Mitte Mai. Christi Himmelfahrt. Langes Wochenende. Noch sind die Hotels in der Stadt für touristische Reisen geschlossen. Wir hatten eigentlich geplant, den Thalys nach Paris zu nehmen. Eine Reise aus der Reihe “wir zeigen jetzt dem Sohn die europäische Metropolen”. Statt “Grand Vitesse” zwischen Köln und Paris Stau auf der A2. Dafür freie Fahrt am Feiertag mit dem Rad in der Hauptstadt. Nur ein wenig durch den Tiergarten radeln, so der Plan. Abseits der Sehenswürdigkeiten, bloß jede Menschenansammlung vermeiden.

Irgendwie finden wir uns dann aber doch am Checkpoint Charly wieder. Aber wo sind die Menschen? An dem ehemaligen Grenzübergang an der Friedrichstraße brummt es normalerweise. Da sieht man das weiße Grenzhäuschen mit den aufgestapelten Sandsäcken davor sonst vor lauter Selfie-Sticks und Instagram Posern aus aller Welt kaum. Mitte Mai 2020: gähnende Leere.

Kurz vor Abzug der Alliierten hatte der Berliner Fotograf Frank Thiel 1994 Fotos von jungen Soldaten der vier Besatzungsmächte gemacht. Die Leucht-Installation am Checkpoint Charly zeigt einen russischen und auf der Rückseite einen amerikanischen Soldaten. Sie blicken jeweils in das Hoheitsgebiet des anderen.

Das Internationale Buchstabieralphabet ist übrigens Namensgeber für den ehemaligen Kontrollpunkt zwischen West und Ost. Nach den Übergängen Helmstedt-Marienborn (Alpha) und Dreilinden-Drewitz (Bravo) ist er der dritte und sicherlich bekannteste von den Alliierten genutzte Grenzübergang. Originalschauplatz des Kalten Krieges und stiller Zeuge unzähliger Fluchtversuche. Wer sich über die Foto-Gelegenheit hinaus über die Geschichte der Berliner Mauer und die persönlichen Schicksale geglückter und gescheiterter Fluchtversuche informieren möchte, geht ins Mauermuseum. Oder schaut sich die kostenlose Open-Air-Ausstellung an. Im beeindruckenden 1:1 Panorama “Die Mauer” des Künstlers Yadegar Asisi bekommt man einen Eindruck davon, wie sich das Leben auf beiden Seiten der Mauer angefühlt haben muss.

Next stop “Gendarmenmarkt”. An diesem wunderschönen Platz würden an einem sonnigen Feiertag im Mai um die Mittagsstunde viele Berlin-Besucher zwischen den monumentalen Zwillingsbauten des Deutschen und Französischen Doms und des Berliner Konzerthauses flanieren.

Die Außengastronomie ist geöffnet und wir setzen uns zaghaft an einen der weit auseinander gestellten Tische, um etwas zu trinken. Es fühlt sich ungewohnt an. Ist es doch unser erster Besuch in einer Gastro seit Mitte März.

Am Abend treffen wir in Kreuzberg liebe Freunde auf der Terrasse des Lieblings-Asiaten. Das erste Abendessen in einem Restaurant. An einem schon warmen Frühlingsabend. Wir haben uns extra früh getroffen, um lange draußen zusammensitzen zu können. Was wir sonst so selbstverständlich konsumieren, wird zum besonderen Event. Wow, wir haben ein Stück von dem Leben zurück, von dem wir nicht glaubten, dass es einmal nicht da sein könnte. Kleine Lehrstunde in Sachen Dankbarkeit in einer surreal wirkenden Hauptstadt im Mai 2020.

In diesem Sinne – macht’ es Euch schön an diesem Nikolaustag und 2. Adventssonntag. Ho, ho, ho!

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Lost Place mit Zukunft

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Das rostrote Riesenrad mit den bunten Gondeln hat schon lange keinen Fahrgast mehr befördert. Nur der Wind treibt es manchmal an. Ich stelle mir das unheimlich vor, wenn sich das Rad quietschend in Bewegung setzt. Viel lieber mag ich mir lachende, fröhliche Kinder oder verliebte Paare vorstellen, die glücklich durch die Lüfte schweben und sich am Ausblick auf viel Grün und die nahe Spree erfreuen. Vergangenheit, aber vielleicht auch Zukunft des 45 Meter hohen und mit 40 Gondeln ausgestatteten Wahrzeichens des ehemaligen Kulturparks Plänterwald im Stadtteil Berlin-Treptow.

Der Park wurde 1969 von der DDR als “VEB Kulturpark” gebaut und blieb der einzige Vergnügungspark der DDR. Kurz bevor die Mauer fiel, wurde das Riesenrad anläßlich des 40. Jahrestags der DDR 1989 sogar noch erneuert.

Nach der Wende wurde der Park 1991 privatisiert und schrittweise umgestaltet, um mit westlichen Standards mithalten zu können. Viele der zusätzlichen Attraktionen erwarb der neue Eigentümer von einem insolventen Vergnügungspark bei Paris. Leider brachten sie dem Plänterwald auch kein Glück. Die Besucherzahlen gingen stetig zurück. Schließlich musste der Park 2001 Insolvenz anmelden.

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Das Gelände wurde sich selbst überlassen und rottete viele Jahre vor sich hin. Die Natur eroberte sich das Areal stückweise zurück, überwuchert heute die rostenden Gleise und Streben der Achterbahn “Spreeblitz” und der Wildwasserbahn “Grand Canyon”. Über die Zeit wurde ein wilder verwunschener Dschungel aus dem ehemals berühmten Freizeitpark. Ein Biotop, in dem sich Frösche, Vögel, Fledermäuse und Biber wohlfühlen.

Seit 2016 entwickelt “Grün Berlin” ein neues Konzept für die grüne Oase hinter’m Zaun. Der neue Spreepark soll ein öffentlich zugänglicher Natur- und Erholungspark werden, der Raum für Kunst und Kultur bietet.

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Einzelne Elemente des ehemaligen Freizeitparks sollen erhalten bleiben. Als Erinnerung an seine bewegte Vergangenheit. Die Ikone Riesenrad soll sich, wenn möglich, wieder drehen. Die Achterbahn mit dem Katzengesicht, in dessen Maul die alten Gleise verschwinden, soll zu einem begehbaren Baumwipfelpfad umfunktioniert werden. An der Wildwasserbahn soll man zukünftig entlang spazieren können. Als originelle Sitzmöglichkeit für ein Cafés könnten die Teetassen des Karussells dienen.

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Die Ideen zur Neugestaltung klingen sehr vielversprechend. Wenn es gelingt, die Magie vergangener Zeiten mit einem zukunftsweisenden Konzept zu verbinden, werden Berliner und Besucher aus aller Welt wieder wunderbare Erinnerungen mit nach Hause nehmen. Wie die zwei Damen auf unserer Tour, die den Park noch aus DDR Zeiten kannten und in Erinnerungen an seine glanzvollen Zeiten schwelgten.

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Swimmers only 

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Herrlich, an einem heißen Sommertag in die Spree (oder so gut wie) zu springen. Die Oberbaumbrücke und den Fernsehturm zur einen, die Drei-Personen-Skulptur “Molecule Man” zur anderen Seite. Die schwimmende Badelandschaft mit dem einmaligem Panoramablick ist einer meiner Lieblingsorte im Berliner Sommer. 

In ihrem ersten Leben war das Badeschiff ein Schubleichter, der in der Flussschifffahrt zu Frachtzwecken genutzt wurde. Umgebaut und mit der entsprechender Technik ausgestattet liegt er nun in der Tradition alter Flussschwimmbäder im Stadtteil Alt-Treptow vor Anker.

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Man erreicht das Becken über eine Steganlage, auf der es Liegeplätze für Sonnenanbeter gibt. In dem 32,5 Meter langen und 8,2 Meter breiten Badeschiff können Wasserratten wie ich seit 2004 ihre Bahnen ziehen oder einfach nur entspannt platschen. Ach wäre doch schon wieder Sommer … 

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Vom Spaßbad zum Lost Place

Törchen No 11 vereint drei meiner Herzensangelegenheiten – Das Element Wasser, Berlin und Lost Places. Das Besondere daran: diesen Ort habe ich besucht, als er noch nicht verloren war. Als das “Blub” (Berliner Luft- und Badeparadies) noch eine riesige Badelandschaft mit mehreren Schwimmbecken, einem tollen Außenbereich, zwei Rutschen, einem Wellenbad, einem Wildwasserkanal und dem Saunaparadies “Al Andaluz” war. “Berlin blubst vor Vergnügen” warben die Betreiber.

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Das war nicht untertrieben. Das Spaßbad suchte damals seinesgleichen. Für uns war der Besuch einer der Höhepunkte unserer Schwimm-Reisen nach Berlin. Trainierte unser kleiner Verein doch in einem Lehrschwimmbecken mit 16 2/3-Bahn.

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Das Freizeitbad im Neuköllner Ortsteil Britz wurde 1985 eröffnet und lockte in seinen besten Jahren 600.000 Besucher jährlich an. Ende der 1990er Jahre gingen die Zahlen aufgrund von Nachrichten über Hygiene-Probleme zurück. Das Blub musste schließlich Insolvenz anmelden und 2002 seinen Betrieb einstellen. Die anschließende Nutzung wurde zum jahrelangen Streitpunkt zwischen privaten Eigentümern und Behörden, während Gelände und Gebäude zunehmend herunterkamen. Mehrerer Brände taten ihr übriges.

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Trotz der massiven Zerstörung dieses einst so wunderbaren Ortes sind die Erinnerungen gleich wieder da. Die traurigen Ruinen und Überbleibsel haben für mich genug Strahlkraft, die Vergangenheit wieder aufleben zu lassen.

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Wehmütig fühle ich den geriffelten Beckenrand unter meinen Händen, fluche leise darüber, dass die Klamotten mal wieder nicht alle ins Netz am Plastikhaken passen, lasse mich in Gedanken von den Wellen, die hinter den Stahlstäben des großen Beckens produziert werden, tragen, lümmle mich im Geiste mit meinen Handtuch auf der blauen Badeliege, spüre meinen Herzschlag beim Heruntersausen von der Rutsche. Ich glaube, es riecht auch noch nach Chlor …

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Wer A sagt, muss auch B sagen

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Hi there!

In Berlin gibt es Buchstaben-Retter. Seit 2005 hat es sich der Verein “Buchstabenmuseum e.V.” zur Aufgabe gemacht, Buchstaben und Schriftzüge vor der Verschrottung oder Verwitterung zu retten. Seit 2016 haben die bunten Buchstaben ein festes Zuhause im Berliner Hansaviertel. In Stadtbahnbögen am Rande des Tierparks finden ‘Letter Lover’ wie ich ein kleines Typografie Paradies.

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Das Buchstabenmuseum ist das erste seiner Art weltweit. Hier wird aufbewahrt, dokumentiert, restauriert und ausgestellt. Das Museum ist noch im Aufbau. Eine permanente Ausstellung zur Geschichte und Entstehung von Buchstaben in Planung.

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Die meisten Fundstücke stammen bisher aus Berlin und dem Berliner Umland. Immer mehr kleine Geschäfte oder Institutionen mit originellen Schriftzügen verschwinden aus dem öffentlichen Raum. Das Museum sammelt diese Typografien und präsentiert sie als Teil der Stadtgeschichte.

Die Sammlung ist keine Hochglanz-Ausstellung. Es wirkt ein wenig wie ein Lager. Aber gerade das Unfertige macht den Charme dieses Ortes aus. Hier kann man sich wunderbar inspirieren lassen. Und sich vorstellen, welche Geschichten sich mit den Buchstaben und Schriftzügen, die teilweise farblich sortiert angeordnet sind, verbinden. Welche Schuhe wurden wohl von welchen Menschen in dem Laden mit dem geschwungenen Schriftzug gekauft?

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Historische Buchstaben wie das “H” des ehemaligen Berliner Hauptbahnhofes (heute Ostbahnhof) oder der gesamte Schriftzug der Berliner Tageszeitung “Der Tagesspiegel” gehören, neben unzähligen alten Leuchtreklamen, zur Sammlung. Stumme Zeitzeugen, die hier konserviert werden.

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Man kann übrigens auch Buchstaben oder ganze Schriftzüge mieten. Ich würde ein leuchtendes B nehmen …

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