Die Gedenkstätte deutsche Teilung – Marienborn

Endspurt in den Frühling – Story No. 2

Hi there!

Über den Grenzübergang Helmstedt/Marienborn bin ich zum letzten Mal Anfang der Achtziger Jahre nach West-Berlin gelangt. Mit klopfendem Herzen und übergroßem Respekt vor den Grenzbeamten, die schwer bewaffnet und mit grimmiger Miene meinen Pass und den meiner Mitschwimmer*innen im Bus kontrollierten. Kurz vor Berlin, auf dem Weg zu unserem befreundeten Schwimmverein Nixe Charlottenburg. Seitdem bin ich zwar ungezählte Male nach Berlin gereist, aber hauptsächlich mit der Bahn. Corona bedingt haben wir die Hauptstadt im letzten Jahr mehrfach mit dem Auto angesteuert. Auf der ersten Reise im Mai rutschte ich nervös auf meinem Sitz hin und her, als ich plötzlich den Kontrollturm des größten ehemaligen Grenzübergangs an der innerdeutschen Grenze sah. Am liebsten hätte ich sofort angehalten, aber es war schon spät.

Gestoppt haben wir einige Wochen später, um uns den ehemaligen Kontrollpunkt, der zwischen 1945 und 1989 den größten Teil des Transitverkehrs zwischen Westdeutschland und West-Berlin abgewickelt hat, anzuschauen. Seit Sommer 1996 ist das Areal eine Gedenkstätte der deutschen Teilung, betreut durch die Stiftung “Gedenkstätten Sachsen-Anhalt”. Die meisten Gebäude und Außenanlagen des Bereichs Einreise konnten erhalten und saniert werden.


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Die Fläche mit den Abfertigungsbereichen für die Einreise in die ehemalige DDR ist weitläufig und zu einem großen Teil frei zugänglich. Ende Juni 2020 besuchen jedoch nur wenige Besucher diesen Ort des Erinnerung. Informationstafeln zeigen, wie sich hier während der deutschen Teilung die Autos und LKW’s stauten. Zusammen mit meinen persönlichen Erinnerungen bekomme ich wieder eine Ahnung davon, wie es hier vor 1989 zuging. Als rund 200 Kontrolleure mit der Hilfe von Hunden Pässe und Fahrzeuge kontrollierten.

Was ich damals nicht wusste: die Passkontrolle wurde von Mitarbeiter*innen der Stasi durchgeführt, die zur Tarnung ihrer geheimdienstlichen Arbeit Uniformen der Grenztruppen trugen. Der Verkehr von Personen und Waren stellte eine potentielle Gefahr für das sozialistische System dar.

Die Pässe wurden auf diese 50 Meter langen Metallförderbände gelegt.

In den Abfertigungsbaracken wurden die Reisedokumente überprüft und die Visa für die Einreise in die DDR oder die Durchfahrt über die Transitstrecke nach West-Berlin ausgestellt.

Riesige Flutlicht-Scheinwerfer sorgten für eine “schattenfreie und taghelle” Durchführung der Kontrollen bei Dunkelheit.

Um Fluchtwillige zu stoppen, wurde der Grenzübergang Marienborn in den 70er Jahren weiter ausgebaut. Das letzte Element in einem gestaffelten System aus Ampeln, Schranken, Schlagbäumen und Stacheldraht waren Stahl-Rollsperren auf Rädern. Sie wurden “Fiffi” genannt und konnten Grenzdurchbrüche mit Fahrzeugen verhindern. Im Alarmfall rollte die auf Schienen gelagerte Sperre in wenigen Sekunden auf die Straße. Selbst 50 Tonnen schwere LKW’s in voller Fahrt ließen sich so stoppen.

Ich bin froh, dass wir nicht noch einmal an dem geschichtsträchtigen Ort vorbei gerauscht sind. An dieser Nahtstelle zwischen Ost und West, die neben der innerdeutschen Teilung und der damit verbundenen grausamen Praktiken des DDR Regimes auch die Spaltung Europas in zwei konträre politische Systeme manifestierte.

Die Gedenkstätte Marienborn macht heute zahlreiche Bildungsangebote. An Projekttagen für Schulklassen werden die unvorstellbaren Ereignisse der deutsch-deutschen Geschichte für junge Menschen zugänglich gemacht. Zeitzeugen erzählen oft ihre persönlichen Geschichten.

Ich fand die Einreise-Kontrollen am Grenzübertritt Helmstedt/Marienborn damals hoch spannend, aber auch unheimlich und bedrohlich. Der Besuch der ehemaligen Grenzübergangsstelle hat bei mir heftige Erinnerungen an damals geweckt. Während der Verkehr der A2 vorbei donnert, als wäre nichts gewesen. Umso wichtiger, dass die Erinnerung an diesen Teil deutsch-deutscher Geschichte nicht im Grundrauschen unseres Alltags untergeht.