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Flugplatz Rangsdorf

Hi there!

Meine Faszination für verlassene Orte ist bekannt. Seit Detroit bin ich mit dem Virus infiziert, den manche Ruinenlust nennen. Auch in Deutschland gibt es spannende Lost Places. Auch hier zieht mich ihr morbider Charme an. Auch hier mag ich die besondere Atmosphäre, die diesen Orten anhängt. Auch hier versuche ich mir den Ort vorzustellen, als er noch voller Leben war. Und wie überall auf der Welt sind die Besuche von verlassenen Orten Momentaufnahmen, “moments in time”. Weil es oft keine zweite Chance gibt, die Orte zu erleben. Weil sie unüberwindbar, zu gefährlich, abgerissen oder einer neuen Nutzung zugeführt wurden.

Der ehemalige Flugplatz Rangsdorf in Brandenburg erweist sich am sonnigen Ostersonntag 2021 als Glücksfall. Das riesige Gelände und auch große Gebäudeteile sind zugänglich. Der 30 km südlich von Berlin gelegenen Land- und Wasserflughafen (der nahe Rangsdorfer See erlaubte Wasserlandungen) ist ein geschichtsträchtiger Ort.

Von hier hob am 20. Juli 1944 Claus Schenk Graf von Stauffenberg, Oberst der Wehrmacht, ab. Sein Ziel: das Führerhauptquartier Wolfsschanze in Ostpreußen. Seine Mission: die Tötung Hitlers mittels einer Sprengladung, die er in einer Aktentasche mit sich führte. Als Stauffenberg drei Stunden später wieder in Rangsdorf landete, glaubte er noch an den Erfolg seiner Mission. Sie ging schief, wie wir wissen und Stauffenberg wurde noch am selben Abend in Berlin erschossen. Eine kleine Gedenktafel am Ufer des Rangsdorfer Sees erinnert heute an den Widerstandskämpfer. Hätte er wohl bei Gelingen seines Vorhabens den Lauf der Geschichte verändert?

Offiziell wurde der Flugplatz als “Reichsflughafen Rangsdorf” am 30. Juli 1936 am Vorabend der Olympischen Sommerspiele eröffnet. Ebenfalls auf dem Gelände befand sich die Reichssportfliegerschule. Hier wurden Jagdflieger auf Bücker-Maschinen, die in den Werkshallen nebenan gefertigt wurden, ausgebildet.

Ein Teppich aus Gras hat sich über den Boden gelegt.

Aber auch prominente Flugschüler:innen tummelten sich hier. Beate Köstlin, die ihren Fluglehrer Hans-Jürgen Uhse später heiratete, und in einer anderen Branche Bekanntheit erlangte. Der Ufa-Star Heinz Rühmann erlernte hier das Fliegen und hatte sein eigenes Flugzeug in einem Hangar untergebracht. Die legendäre Weltumrunderin Elly Beinhorn startete und landete von Rangsdorf aus. 1939 diente der Flugplatz für sechs Monate als ziviler Verkehrsflughafen. Weil Tempelhof nach Ausbruch des Krieges als potentielles Angriffsziel galt, verlegten die Lufthansa und andere Fluggesellschaften ihre Flüge vorübergehend hierher.

Einer der ehemaligen Hangar dient als coole Kulisse für ein Musikvideo.

Nach dem Krieg nutzten die sowjetischen Luftstreitkräfte den Flugplatz noch bis 1994. Seit ihrem Abzug ist in Rangsdorf kein Flieger mehr gelandet, die Gebäude dem Verfall ausgesetzt. Durch eine Hintertür gelangen wir unter anderem in die zur Turnhalle umgebaute Halle.

Auch die in Rangsdorf entstandenen Fotos sind Momentaufnahmen. Der Ort wird sich verändern. Bei der Recherche für diesen Beitrag habe ich gelesen, dass auf dem 90 Hektar großen Gelände ein neues Wohnquartier mit Sportstätten, Schule, Kita, Geschäften und einem Museum (zu den Bücker Flugzeug Werken) entstehen soll. In die denkmalgeschützen Hallen wird wieder Leben einziehen. Ein Teil von mir findet das natürlich großartig. Der andere Teil sieht diesen einzigartigen Ort verschwinden. Dieser Widerspruch macht wohl einen Teil meiner Faszination für Lost Places aus.