Brandenburg

Brandenburgs Zauberberg

Noch ein Lost Place. Aber anders. Einen, den man offiziell bei verschiedenen Führungen entdecken oder aus der Vogelperspektive betrachten kann. Der 800 Meter lange Baumkronen- und Zeitreisepfad “Baum und Zeit” eröffnet hoch über der Ruine des “Alpenhauses”, einem ehemaligen Klinikgebäude für Frauen, einzigartige Perspektiven über das weitläufige Gelände der ehemaligen Lungenheilanstalt und in die Natur darüber hinaus.

Seit 1945 wächst ein Dachwald auf der Ruine des Alpenhauses.

Die Geschichte der Beelitzer Heilstätten ist spannend und wechselvoll. Im ausgehenden 19. Jahrhundert grassierte auch in Berlin die hochansteckende Infektionskrankheit Tuberkulose. In der Stadt war es eng, die hygienischen Zustände in den Berliner Mietskasernen miserabel. Um der Situation Herr zu werden, kaufte die Landesversicherungsanstalt Berlin 1898 ein ausgedehntes Waldstück in Brandenburg. Hier draußen in der sauberen Luft der brandenburgischen Kiefernwälder sollten sich Berlins Großstadtpatienten erholen und ihre Arbeitsfähigkeit zurückgewinnen. Nahe der Stadt Beelitz (Genau, da kommt der leckere Beelitzer Spargel her) entstand eine moderne Lungenheilanstalt und ein Sanatorium mit rund 1200 Betten.

Eine eigene Bäckerei und Metzgerei sowie nahe gelegene Obst- und Gemüseanbauflächen stellten die Versorgung von Patienten und Personal sicher. Sogar ein eigenes Postamt gab es. Ein Heizkraftwerk (die erste Kraft-Wärme-Kopplungsanlage Deutschlands) auf dem Gelände machte die Heilstätten in Punkto Energieversorgung autark.

Während der beiden Weltkriege diente die Einrichtung als Lazarett. Nach dem zweiten Weltkrieg besetzte die Rote Armee das Areal und nutzte die Beelitzer Heilstätten als Militärhospital. Kurz nach dem Fall der Mauer fanden hier Erich Honecker und seine Frau Margot für ein knappes Jahr Unterschlupf, bevor man sie nach Moskau ausflog.

Der ehemalige Operationssaal in der “Alten Chirurgie”
Kernbestandteil der Therapien waren Liegekuren an der frischen Luft.

Nach dem Abzug der sowjetischen Truppen aus Deutschland im Jahre 1994 beginnt der Verfall der Klinikbauten und die Verwilderung des Geländes. Viele Gebäude fallen dem Vandalismus zum Opfer. Die ehemalige Heilstätte lockt jahrelang Geisterjäger und andere Horror-Abenteurer an. Wer würde nachts in den langen Fluren, den leeren Räume mit offen stehenden Fenstern und Türen nicht unheimliche Geräusche, Schritte und Schreie hören?

Seit einigen Jahren ist der Spuk vorbei. Die historischen Gebäude werden nach und nach originalgetreu restauriert. Auf dem weitläufigen Gelände der ehemaligen Heilstätten entsteht unter anderem ein neuer Stadtteil mit zahlreichen Wohneinheiten.

Aus dem verlassenen Ort wird ein geretteter Ort. Einer, dessen Geschichten noch lange erzählt werden.

All gates are closed

Flugplatz Rangsdorf

Hi there!

Meine Faszination für verlassene Orte ist bekannt. Seit Detroit bin ich mit dem Virus infiziert, den manche Ruinenlust nennen. Auch in Deutschland gibt es spannende Lost Places. Auch hier zieht mich ihr morbider Charme an. Auch hier mag ich die besondere Atmosphäre, die diesen Orten anhängt. Auch hier versuche ich mir den Ort vorzustellen, als er noch voller Leben war. Und wie überall auf der Welt sind die Besuche von verlassenen Orten Momentaufnahmen, “moments in time”. Weil es oft keine zweite Chance gibt, die Orte zu erleben. Weil sie unüberwindbar, zu gefährlich, abgerissen oder einer neuen Nutzung zugeführt wurden.

Der ehemalige Flugplatz Rangsdorf in Brandenburg erweist sich am sonnigen Ostersonntag 2021 als Glücksfall. Das riesige Gelände und auch große Gebäudeteile sind zugänglich. Der 30 km südlich von Berlin gelegenen Land- und Wasserflughafen (der nahe Rangsdorfer See erlaubte Wasserlandungen) ist ein geschichtsträchtiger Ort.

Von hier hob am 20. Juli 1944 Claus Schenk Graf von Stauffenberg, Oberst der Wehrmacht, ab. Sein Ziel: das Führerhauptquartier Wolfsschanze in Ostpreußen. Seine Mission: die Tötung Hitlers mittels einer Sprengladung, die er in einer Aktentasche mit sich führte. Als Stauffenberg drei Stunden später wieder in Rangsdorf landete, glaubte er noch an den Erfolg seiner Mission. Sie ging schief, wie wir wissen und Stauffenberg wurde noch am selben Abend in Berlin erschossen. Eine kleine Gedenktafel am Ufer des Rangsdorfer Sees erinnert heute an den Widerstandskämpfer. Hätte er wohl bei Gelingen seines Vorhabens den Lauf der Geschichte verändert?

Offiziell wurde der Flugplatz als “Reichsflughafen Rangsdorf” am 30. Juli 1936 am Vorabend der Olympischen Sommerspiele eröffnet. Ebenfalls auf dem Gelände befand sich die Reichssportfliegerschule. Hier wurden Jagdflieger auf Bücker-Maschinen, die in den Werkshallen nebenan gefertigt wurden, ausgebildet.

Ein Teppich aus Gras hat sich über den Boden gelegt.

Aber auch prominente Flugschüler:innen tummelten sich hier. Beate Köstlin, die ihren Fluglehrer Hans-Jürgen Uhse später heiratete, und in einer anderen Branche Bekanntheit erlangte. Der Ufa-Star Heinz Rühmann erlernte hier das Fliegen und hatte sein eigenes Flugzeug in einem Hangar untergebracht. Die legendäre Weltumrunderin Elly Beinhorn startete und landete von Rangsdorf aus. 1939 diente der Flugplatz für sechs Monate als ziviler Verkehrsflughafen. Weil Tempelhof nach Ausbruch des Krieges als potentielles Angriffsziel galt, verlegten die Lufthansa und andere Fluggesellschaften ihre Flüge vorübergehend hierher.

Einer der ehemaligen Hangar dient als coole Kulisse für ein Musikvideo.

Nach dem Krieg nutzten die sowjetischen Luftstreitkräfte den Flugplatz noch bis 1994. Seit ihrem Abzug ist in Rangsdorf kein Flieger mehr gelandet, die Gebäude dem Verfall ausgesetzt. Durch eine Hintertür gelangen wir unter anderem in die zur Turnhalle umgebaute Halle.

Auch die in Rangsdorf entstandenen Fotos sind Momentaufnahmen. Der Ort wird sich verändern. Bei der Recherche für diesen Beitrag habe ich gelesen, dass auf dem 90 Hektar großen Gelände ein neues Wohnquartier mit Sportstätten, Schule, Kita, Geschäften und einem Museum (zu den Bücker Flugzeug Werken) entstehen soll. In die denkmalgeschützen Hallen wird wieder Leben einziehen. Ein Teil von mir findet das natürlich großartig. Der andere Teil sieht diesen einzigartigen Ort verschwinden. Dieser Widerspruch macht wohl einen Teil meiner Faszination für Lost Places aus.