Over in Europe

Blau machen für mehr Grün

Hi there,

die ersten Kölner Balkon-Gurken sind geerntet. Vom Samenkorn zum fertigen eßbaren Produkt. Selbst auf engstem Raum. Das finde ich immer wieder faszinierend. Mutter Natur, du Gute! Mein Leben ist derzeit gärtnergrün. Balkonien grünt und blüht. Vor unserem Haus habe ich eine Baumbeet Patenschaft übernommen und gärtnere dort mit zwei Nachbarinnen fleißig herum. Hätte nie gedacht, dass ich das mal machen würde, fand ich doch eigentlich immer einen Hauch spießig. Aber jetzt finde ich es großartig, meine direkte Umgebung ein wenig schöner und den Bienchen und Schmetterlingen einen klitzekleinen zusätzlichen Ort zu schaffen. “Urban Gardening” gehört ja schließlich nicht erst seit gestern zum guten Ton. Wie, du hast Geranien auf dem Balkon? Die sind doch überhaupt nicht insektenfreundlich. Hopp, hopp zum Markt, Lavendel kaufen!

Meine Gärtner-Begeisterung geht gar so weit, dass ich kürzlich eine Lesung zum Thema besuchte. “Bin im Garten” heißt das neue Buch von Meike Winnemuth. Genau. Die, die bei Günter Jauch 2011 eine halbe Million Euro abräumte, anschließend eine 12-monatige Weltreise unternahm und darüber ein Buch geschrieben hat. In “Das große Los” erzählt sie über ihr Reisejahr. Das Buch bekam ich 2013 zum Abschied geschenkt und es verschwand als allerletztes Teil in unserem Überseecontainer. Eher skeptisch nahm ich, die “Roman-Leserin”, es irgendwann zur Hand. Es wurde zu einem meiner persönlichen Pageturner. Und das liegt nicht nur daran, dass Frau Winnemuth seit ihrer Weltreise ausschließlich blaue Klamotten trägt. Vielmehr schreibt sie mir so oft aus der Seele. Was aufbrechen, reisen und entdecken, ankommen und wieder weggehen, neugierig sein, sich auf Land und Leute einlassen und die Liebe zum Meer angeht. Dass sie einen Reise-Monat auf Hawaii verbracht und sich dort auf Spurensuche nach einem meiner Serienhelden der 80er Jahre, Privatdetektiv Magnum, begeben hat, war da nur noch das Sahnehäubchen obendrauf.

Und nun ein neues Projekt und ein neues Buch: “Bin im Garten –  Ein Jahr wachsen und wachsen lassen”. Nach der Weltreise suchte sie einen Ort zum Bleiben, steht im Klappentext. Der Moment, an dem sie die vage Idee von einer Heimat-Scholle bekam, ereignete sich fast 12.000 km entfernt vom heutigen Garten, auch auf Hawaii. Bei einem Morgenspaziergang am Strand sah sie einen Mann mit Hund, der still aufs Meer hinaus schaute. “Der geht hier jeden Tag her und anschließend frühstückt er. Der hat ein Leben und ich nicht”, dachte sie, die wie eine Nomadin durch die Welt reiste. “Ich will denselben Baum im Frühling, im Sommer, im Herbst und meinetwegen sogar im Winter sehen, dachte ich plötzlich, ich will den Wandel, aber am selben Ort, denn nur dort erlebt man ihn wirklich. Ich will irgendwo hingehören. Ich will endlich wieder ein Zuhause. Eine Heimat.” Als sie diese Passage auf der Lesung vorlas, musste ich arg schlucken. Da war es wieder. Mit aller Wucht. Das Heimat-Thema. Das mich seit unserem Weggang in die USA und unserer Wiederkehr nach Deutschland so sehr beschäftigt.

Das Buch ist wie ein Tagebuch geschrieben und bei vielen Einträgen denke ich: ja ganz genau! Zum Beispiel, wenn Meike Winnemuth Sätze wie diesen schreibt: “Es geht darum herauszufinden, was einem persönlich wirklich wichtig und unverzichtbar ist. Der Rest kann weg.” Einfache Weisheit? Von wegen. Wir sind nun fast ein Jahr wieder hier und der Prozess, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen, hält an. Materiell, aber auch, und vor allem, immateriell. Wie sieht die große Aufgabe der Zukunft aus? Oder sind es viele kleine? Was verankert mich wieder fest im Kölner Boden? Wofür schlägt mein Herz am meisten? Worauf möchte ich mich fokussieren? Brauche ich jetzt etwa einen Garten? Eine Parzelle beim Kleingärtnerverein? Gar ein Häuschen auf dem Land? Hilfe, ich bin doch ein Stadtmädchen. Nicht so einfach, wieder Wurzeln zu schlagen, wenn man einmal entwurzelt war. Es wieder wachsen zu lassen, zu ernten. Vielleicht wühle ich deshalb gerade so gerne in der Erde. Auf unseren Balkonen und im Baumbeet vor der Tür.

Ein leichter Gartenvirus hatte mich schon in Michigan erfasst. Da habe ich vier Sommer lang Tomaten, Gurken, Salat, Kohlrabi, Zucchini und noch mehr Tomaten (mit so lustigen Namen wie Moonglow, Tommy Toe, German Lunchbox, Ukrainian Purple, Velvet Red oder Wisconsin Chief) angepflanzt. Es erfüllt mich mit großer Freude und Dankbarkeit, wenn man mit ein wenig Pflege, Wasser und gutem Zureden den kleinen Plätzchen zu großem Wachstum verhelfen kann und dann noch mit der leckeren Ernte für’s Abendbrot belohnt wird.

Detroit ist so etwas wie die Wiege des Urban Gardening. Und so wundert es sicherlich niemanden (#ilovedetroit), dass der Besuch einer urbanen Farm schon länger auf meiner “Bucket List” stand. Im letzten Frühsommer habe ich mich dann endlich mit einer guten Freundin frühmorgens auf den Weg gemacht, um auf der “Earthworks Urban Farm” zu helfen. Mit anderen Freiwilligen jäteten wir Unkraut zwischen den Kartoffelpflanzen und bekamen einen Einblick in die täglichen Abläufe eines landwirtschaftlichen Betriebes mitten in der Stadt.

In Detroit’s weitläufigem Stadtgebiet gibt es heute rund 1.600 Nutzgärten und Farmen, die Obst und Gemüse anbauen. Die Stadt verfügt über jede Menge freier Flächen. Seit den 90er Jahren werden auf diesen Brachen Nutzgärten angelegt, um die Versorgung der Stadt mit landwirtschaftlichen Produkten zu sichern. Mit dem massenhaften Wegzug der Menschen verließen auch die Supermärkte die Stadt. Was blieb, waren Tankstellen mit ihren angeschlossenen Convenience Läden, die aber kaum frisches Obst und Gemüse anbieten. Viele Farmen und Kooperativen verkaufen ihre Produkte mittlerweile auch auf den Wochenmärkten. Die non-profit Organisation “Keep Growing Detroit” unterstützt die Farmen mit dem Ziel, den größten Teil des in Detroit benötigten Obst und Gemüse innerhalb der Stadtgrenzen zu produzieren.

Die “Earthworks Urban Farm” hat ihre eigene Geschichte. Sie ist hervorgegangen aus der “Capuchin Soup Kitchen”, einer bereits 1929 gegründeten Organisation, die neben Nahrung auch Kleidung und Weiterbildungsprogramme für Bedürftige anbietet. Täglich werden 2000 Mahlzeiten serviert, es gibt ein Duschprogramm, eine Lebensmittelausgabe, Nachhilfe und Kunsttherapie für Kinder. 1997 ergänzte der Kapuzinermönch Rick Samyn die Suppenküche um einen Gemüsegarten. Seine Mission: die Gemeinschaft in der Nachbarschaft zu stärken, der jüngeren Generation zu zeigen, wie man gute Lebensmittel selbst erzeugen kann. Aus dem kleinen Garten wurde Stück für Stück die “Earthworks Urban Farm” mit einer heutigen Fläche von über 10.000 Quadratmetern. Sie ist bio zertifiziert und hat mittlerweile Gewächshäuser, um auch in den Wintermonaten produzieren zu können. Die landwirtschaftlichen Erzeugnisse werden in der Suppenküche verwendet und an einem wöchentlichen Marktstand verkauft. Viele andere Gemeinschaftsgärten in Detroit beziehen Setzlinge von hier. Außerdem geben die Earthworks Farmer ihr Wissen an Schulen weiter. Übergeordnetes Ziel der Farm ist es, die Menschen der Stadt unabhängig von Supermärkten zu machen. Zur Capuchin Soup Kitchen gehört auch die “On the Rise Bakery”. Hier arbeiten Menschen, die nach einem Gefängnisaufenthalt oder nach Abschluss eines Drogenentzugs eine zweite Chance bekommen.

In deutschen Städten entstehen auch immer mehr Gemeinschaftsgärten. Die “Eßbare Stadt” ist unübersehbarer Trend. Wäre es nicht toll, sich einen Teil der Mahlzeit einfach in der Nachbarschaft zu pflücken? Über’s Hochbeet hinweg einen kurzen Schwatz mit der netten Dame von nebenan zu halten. Mehr Gemeinschaft in der zum Teil anonymen Stadt. Mir gefällt dieser Gedanke gut und die Idee von der “Eßbaren Straße” spukt nun in meinem Kopf. Gartenromantik direkt vor der eigenen Haustür. Ein wenig wie in Peter Alexanders Lied von der kleinen Kneipe. “… da, wo das Leben noch lebenswert ist. Dort in der Kneipe in unserer Straße. Da fragt dich keiner, was du hast oder bist.” Hach. Genug geträumt. Ärmel hochkrempeln und hopp hopp an die Harke. Alles andere wächst dann sicherlich von ganz alleine.

Welcome back home!

Hi there!

nein, nein, ich habe den Blog nicht eingestellt. Aber die letzten drei Monaten waren so voll und bewegt, dass mir die Ruhe fehlte, meine Gedanken zu sortieren. So richtig abgeschlossen (zumindest, was die physische Bewegungen von Mensch und Material angeht) ist unsere Relocation seit vorletzter Woche. Da habe ich die letzten 8 Kisten Luftfracht entgegen genommen. Der amerikanische Vorstadt-Haushalt ist zurück in der Kölner Stadtwohnung. Und vermisst schon jetzt die wunderbar geräumigen und teilweise begehbaren Einbauschränke mit ihrem unendlichen Stauraum. Verschlanken lautet seit unserer Ankunft das Motto. Anderthalb Haushalte auf das wirklich Wesentliche reduzieren. Da wird klar, wie viele unnötige (oder solche, die nur für kurze Zeit einen Zweck erfüllten) Dinge auf den unterschiedlichsten Wegen in unserem Leben gelandet sind. Ballast abwerfen fällt schwer. Man könnte das ja noch noch mal gebrauchen. Wenn die Sachen dann weg sind, vermisst man sie aber meist nicht mehr. Die japanische Aufräumexpertin Marie Kondo hat die Methode “Magic Cleaning” entwickelt und empfiehlt, nur die Dinge zu behalten, die einen wirklich glücklich machen. Guter Ansatz!

“Seid ihr jetzt wirklich wieder ganz hier?” “Wie ist es denn so, wieder in Köln zu sein?” “Habt Ihr Euch schon wieder eingelebt?” “Ist weggehen einfacher als wiederkommen?”

Diese Fragen werden mir immer wieder gestellt. Auf die letzte habe ich eine klare Antwort: wiederkommen ist schwerer. Die anderen sind weniger einfach und eindeutig zu beantworten. Es ist wunderbar, wieder hier zu sein. Aber es wäre auch wunderbar, in Michigan zu sein. Mitten im deutschen Alltag schieben sich immer wieder Bilder aus unserem amerikanischen Leben vor mein geistiges Auge. Typische Wege wie die Fahrt nach Downtown, der Gang zum Markt. Wiederkehrende Situationen wie der erste Blick morgens aus dem Fenster, Frühstück machen, Treppe runter gehen. Außerdem “begegne” ich jetzt ständig Menschen aus Ann Arbor. So habe ich in den Kölner Straßen bereits die Mathelehrerin meines Sohnes gesehen, den freundlichen Honigverkäufer vom Farmers Market, die Bedienung eines meiner Lieblingscafés, und einige mehr. Call me crazy. Aber ich bin das ja zum Glück nicht alleine. An einer roten Ampel meint mein Sohn letztlich zu mir: “An was erinnert dich diese Szene?” Mir ist gleich klar, dass er ein Bild von drüben meint. Und tatsächlich sah die Ecke aus wie eine markante Kreuzung in Downtown Ann Arbor.

Bis zum Schulstart Ende August fühlte sich Aufenthalt an, als wären wir wie die Jahre zuvor auf Heimaturlaub. Nur ohne Rückflugticket nach Detroit. Dafür wird die Wäsche wieder richtig sauber. Auch wenn nur ein Drittel in die deutsche Maschine passt. Wir können wieder Fenster kippen. Es gibt wieder tolle frische (und überraschend günstige) Blumensträuße. Eine lokale Zeitung, die täglich erscheint und nicht fast ausschließlich aus Werbung besteht. Einen weitläufigen Stadtwald gleich um die Ecke. Raus ins Grüne, ohne erst mit dem Auto fahren zu müssen. Einkaufen, Kino, Leute treffen – geht alles ohne vier Räder. Auf zwei Beinen oder zwei Rädern. Auch mal mit dem Leih-Bike, von denen immer einige gleich um die Ecke stehen. Welcome back to urban lifestyle.

“Welcome back to Germany” ist seit unsere Rückkehr ein geflügeltes Wort geworden. Wir sagen es manchmal schmunzelnd, manchmal kopfschüttelnd. Es ist ein wenig so, wie in unserer Anfangszeit in Michigan. Manche Dinge fallen jetzt mit dem Abstand von fünf Jahren ganz neu auf. Beispiel Entschuldigungszettel für die Schule. Was drüben geschmeidig mit einem Zweizeiler per Email erledigt werden konnte, benötigt hier ein dicht beschriebenes DIN4 Blatt, das “Allgemeines Entschuldigungsverfahren”. Welcome back to German public schools.

Zwischen Wohnung entrümpeln und Schulbeginn wollten wir ein paar Tage in die Eifel. Weiter “Welcome back” Momente, dieses Mal in Sachen deutsche Dienstleistung. “Ich hab’ hier in der Küche abgenommen. Können Sie später noch mal anrufen?” “Ich bin gerade beim Abkassieren. Können Sie später noch mal anrufen?” Schließlich hat es mit der Verbindung zwischen Küche und Rezeption geklappt und das Projekt “Heimat neu entdecken” konnte beginnen. Details zu den Wartezeiten auf Speis und Trank im Hotelrestaurant würden jetzt zu weit führen. Da schwärme ich lieber von meinem ersten Ausflug in die fantastische Vulkaneifel. Ich wusste nämlich nicht, dass schlappe anderthalb Autostunden von Köln ein kleines Paradies liegt. Dass man dort in klares, sanftes Wasser der Maare abtauchen kann und ein unvergleichliches Schwimm-Gefühl erlebt. Grün eingerahmt und gefühlt Lichtjahre von Köln’s n überfüllten Freibädern entfernt. Mehr verrat’ ich jetzt nicht. Will ja nächsten Sommer nicht die halbe Stadt dort treffen 😉

Heimat neu oder wieder entdecken. Nie kreisten meine Gedanken um die Idee Heimat mehr in meinem Kopf als in den letzten Jahren. Jenseits der politischen Dimension, mit der der Begriff seit einiger Zeit von populistischen Meinungsmachern diesseits und jenseits des Atlantiks aufgeladen wird. Völlig unpolitisch begebe ich mich oft auf die Suche, was Heimat für mich persönlich bedeutet. Ja, liebe Heimat, du machst es mir nicht leicht. Du liegst eben nicht nur einfach und klar in meiner Vergangenheit. Du hast auch viel mit meiner Gegenwart zu tun. Und in der Zukunft spielst du auch eine Rolle. Du scheinst zeitlos zu sein. Auf jeden Fall bist du ein subjektives, sehr privates Gefühl. Eines, das sich schwer erklären lässt. Du bist eben nicht nur ein Ort, du bist mehrere Orte. “Heimat ist dort, wo die Wurzeln liegen”. Ja, da bist du für mich ein großer Teil meiner inneren Heimat. Da bestehst du aber auch schon aus vielen Orten. Dem hell erleuchteten Weihnachtszimmer am Heiligen Abend. Der Küche der Großeltern. Den Ferienorten, an denen wir unbeschwerte Familienurlaube verbrachten. Dem Schwimmbad, in dem ich tausende von Metern zurück legte. Nachbar’s Grundstück, durch das wir im Sommer verbotenerweise streiften. Heimat, du bist ein Puzzle aus Erinnerungen. Mit Gefühlen wie Vertrautheit, Zugehörigkeit und Aufgehoben sein. “Home is where my heart is”. Wenn es doch im Hier und Jetzt nur so einfach mit dir wäre, liebe Heimat. “Hey Kölle, du bes e Jeföhl”. Ja, absolut. Eines, das sich in der Fremde nur schwer erklären lässt. Weil man es nur verstehen kann, wenn man ein kölsches Herz hat. Genau so, wie man die Zerrissenheit zwischen zwei Orten nur verstehen kann, wen man sie selber erlebt hat. Ach, liebe Heimat: komme ich je wieder ganz in Köln an? Aber vielleicht muss ich das ja auch gar nicht. Ich bin total gerne hier. Aber ich wäre auch gerne in Ann Arbor, in Detroit, in Michigan. Liebe Heimat, du bist im Hier und Jetzt in der Hauptsache die große Stadt Köln und gleich danach die kleine Stadt Ann Arbor. Und in zweiter Linie all jene Orte, an die es mich immer wieder hin zurück zieht. Überall dorthin, wo ich mir einen Raum geschaffen habe, der ein Stück von dir ist. Du bist mehrere Sehnsuchtsorte, liebe Heimat. Vielfältig und bunt. Auch in der Zukunft sehe ich dich. Mit all’ den Geschichten, die ich gerne an diesen Lieblingsorten noch schreiben möchte. Und die irgendwann den Stempel “Heimat” verdienen. Welcome back home.

Es ist lang geworden. Und sehr persönlich. Trotzdem möchte ich noch eine letzte, mir oft gestellte, Frage beantworten. “Was passiert mit dem Blog?” Ich habe ihn zu lieb gewonnen, als das ich ihn nach unserem Abenteuer Amerika einfach einstellen könnte. Außerdem gibt es noch ein paar Geschichten von der anderen Seite des Atlantiks zu erzählen. Zum Beispiel die des Ortes Whittier in Alaska. In dem ungewöhnlichen Ort, der nur durch einen einspurigen Tunnel erreichbar ist, leben alle rund 200 Einwohner unter einem Dach. Oder mein Tag als freiwillige Helferin auf der Earthworks Urban Farm in Detroit. Nachschlag für alle, die mögen. Außerdem habe ich mir vorgenommen, so oft wie möglich auch in der Kölner Heimat und drum herum blau zu machen. Ich war zum Beispiel noch nie im Kolumba Museum, nicht im EL-DE-Haus, nicht im Karnevalsmuseum, nicht in der Drachenburg … Welcome back home!

 

home for thanksgiving

FullSizeRender

Hi there,

dieses Jahr haben wir zum amerikanischen Familien-Feiertag Thanksgiving mal das gemacht, was alle Amerikaner machen – wir sind nach Hause gereist. Zwar gab es in Deutschland keinen Truthahn, dafür aber andere lang vermisste Leckereien. Allen voran Gans mit Rotkohl und Klößchen. Ach, was hatte ich mich darauf gefreut. Und Feldsalat. Der wird hier einfach nicht angebaut. Auch zu Kasseler mit Sauerkraut und Kartoffelpüree (mashed potatoes können die Amis allerdings auch meist richtig gut) habe ich mich hinreißen lassen. Fehlten eigentlich nur noch Reibekuchen mit Apfelmus. Dafür hatte Glühwein Konjunktur und ich habe mich vom Lichter- und Sternenglanz auf den Kölner Weihnachtsmärkten verzaubern lassen. Ach, was viel schön!

IMG_9505

Ich war sehr gespannt, wie so ein kurzer, irgendwie spontan eingeschobener Heimaturlaub sich anfühlen würde. Es war extrem anstrengend und intensiv, aber auch wunderschön! Als wir Sonntag wieder im Flieger nach Detroit saßen, kam es mir fast vor, als hätte ich das alles nur geträumt. Mein Elfjähriger fragte mich dann irgendwann über dem Atlantik: “Mama, wie fand’s du es?” Da fiel mir nur spontan die Zeile eines meiner BAP Lieblingslieder (Jradaduss) ein: “Et woor schoen, et woor joot, ahm Eng e bessje ze kort …” (für Nicht-Kölner: “Es war schön, es war gut, am Ende ein wenig zu kurz”). Ob er BAP kenne, frage ich überflüssigerweise. “Was denkst du denn. Ich bin doch ein kölscher’ Jung”. Na denn.

Seit das möglicherweise letzte Jahr für uns hier in Michigan angebrochen ist, werde ich bei einigen Sachen sehr wehmütig. Das fing am Ende des Sommers an, als ich am letzten Pool-Tag bis zum Ende blieb. Gleich am nächsten Tag folgte ein vielleicht letztes Mal “Back to school”, die möglicherweise letzte Michigan Football Saison hatte begonnen (nicht das ich ein Riesenfan dieses Sports bin, aber an Spieltagen herrscht eine ganz besondere Atmosphäre in der Stadt), die Blätter färbten sich eventuell ein letztes Mal so irre intensiv bunt, wie ich es bisher nicht kannte, Halloween, Christmas, … Ach herrje, wie wird es werden, das Zurückkehren in die eigentliche Heimat? Ich habe mich entschieden, nicht mehr zu viel darüber nachzudenken. “Go with the flow” oder so ähnlich. Nicht im Sinne von passiv “treiben lassen”, vielmehr aktiv das gestalten und bewusst erleben, was sich ergibt. Ohne Fünfjahresplan. Ohne zwischen den beiden Welten diesseits und jenseits des Atlantiks hin- und hergerissen zu sein.

Genug herum philosophiert, zurück in die reale Ann Arbor Welt. It’s beginning to look a lot like Christmas. Als wir abgereisten, standen noch die Kürbisse vor den Türen und das ein oder andere Gruselelement war noch von Halloween übrig geblieben. Szenenwechsel: alles ist erleuchtet und blinkende Rehe und überdimensionale Blow-up Santas haben wieder das Terrain in unserer Hood übernommen. Da müssen wir noch dringend nachrüsten. Außerdem wird es Zeit, wieder ein paar Späße mit “Elf on the shelf” zu treiben. Die lustige Elfe ist hier in vielen Familien eine vorweihnachtliche Tradition. Eine Art Adventskalender. Über Nacht kommt sie vom Nordpol zurück und sucht sich jeweils einen neuen Platz im Haus. Nach dem Aufwachen laufen die Kinder aufgeregt durch alle Zimmer und suchen nach dem rot-weißen Püppchen. Gefunden, darf sie nicht berührt werden, sonst verliert sie ihren Zauber. Tagsüber beobachtet sie, ob die Kids “naughty or nice” sind und gibt Santa am Nordpol dann allabendlich Rapport.

IMG_4728

IMG_4713

IMG_4717

IMG_4716

IMG_4747

Mein kölscher Junge glaubt zwar nicht mehr an Santa, aber die Elfe wird trotzdem allmorgendlich erwartet. Wie war das mit dem Glauben an den Weihnachtsmann? “Der Weihnachtsmann lebt, und ewig wird er leben. Sogar in zehnmal zehntausend Jahren wird er da sein, um Kinder wie Dich und jedes offene Herz mit Freude zu erfüllen,” schreibt der Kolumnist der “New York Sun”, Francis P. Church, der achtjährigen Virginia aus New York. Sie hatte sich 1897 mit der Frage “Gibt es einen Weihnachtsmann?” an die Tageszeitung gewandt. Der Briefwechsel wurde über ein halbes Jahrhundert – bis zur Einstellung der “Sun” 1950 jedes Jahr zur Weihnachtszeit auf der Titelseite abgedruckt. Später hat die Welt am Sonntag diese Tradition übernommen. In diesem Sinne: feel the christmas spirit! Ach ja, und den Truthahn gibt es bei uns zur Bescherung.

Just in time

      IMG_7929IMG_7927

 

 

 

 

 

Hi there!

meine letzten Wochen waren und sind ein einziges “Just in time”. Ende Januar fliege ich zum ersten Mal alleine nach Deutschland. Mission: Karneval feiern! Endlich mal wieder. Nach zwei Jahren Abstinenz. Und immer großem Heimweh nach Kölle, wenn der Kalender Weiberfastnacht anzeigte. Und “meine” Mädels mir Fotos vom kölsch-seligen Feiern schickten. Drei Kostüme reisten mit: Kölnisch Wasser (unser diesjähriges Gemeinschaftskostüm für den großen DonnerstTAG), Frida Kahlo (einmal die von mir tief verehrte mexikanische Künstlerin sein) und “Michigan Cheerleader” (eine sportliche Referenz an unseren aktuellen Wohnort). Dazu ein paar Klamotten fürs’ Leben vor und nach dem tollen Tagen. Und ob ihr das glaubt oder nicht: 21 Kilo und kein Gramm mehr!

Moment, ich muss mal eben raus: Schnee schaufeln. Denn wir sind “just in time” nach Michigan zurück gekehrt, um den ersten (drückt ihr wohl die Daumen, dass es der letzte ist!) Schneesturm dieses Winters mitzuerleben. Argh!!

So, da bin ich wieder. Besonders schön ist es, wenn der Schnee so seitlich herein weht …

Aber zurück nach Köln. Einen Tag nach meiner Ankunft erlitt mein Vater einen schweren Schlaganfall. Schock, aber was für ein unglaubliches Timing. Ich bin immer noch so froh darüber, dass ich quasi um die Ecke war. Und nicht wie sonst 6.500 km entfernt auf einem anderen Kontinent. Noch am gleichen Abend kehre ich vorsichtig optimistisch aus dem Krankenhaus nach Köln zurück. Just in time (oder “innerhalb des entsprechenden Zeitfensters”) wurde in der Uniklinik Bonn der richtige operative Eingriff vorgenommen. Erfolgreich. Mittwoch Nachmittag bescheinigt der behandelnde Arzt beste Chancen für eine vollständige Genesung. Tolle Neuigkeiten “just in time” für Weiber-Donnerstag.

Karneval feiern war für mich zunächst einmal ziemlich unwichtig geworden. Aber nach den guten Nachrichten gab mein Vater meiner Schwester und mir zu verstehen, dass er uns morgen nicht an seinem Krankenbett sehen wolle … wir sollten feiern gehen. Und das haben wir dann auch getan. Ordentlich. Und das ein oder andere Kölsch auf ihn und seine Genesung getrunken! Hat offenbar gewirkt 😉 Noch bevor ich vorgestern wieder in den Flieger nach Detroit stieg, hatte er enorme Fortschritte gemacht. Mach’ nur weiter so, lieber Papa. Wir freuen uns schon riesig auf ein sommerliches Bad im Lake Michigan mit dir!

Mein kölsches Karnevals-Herz hat auch Freudensprünge gemacht. Denn Karneval zuhause in Köln zu sein, ist noch mal etwas ganz besonders. Wenn die Hände zum Himmel gehn’. Wenn das Veedel Arm in Arm mit alten und neuen Freunden besungen und “beschunkelt” wird. Wenn immer ein Kranz mit Kölsch kreist. Wenn wir alle einmal Prinz oder Prinzessin sein möchten. Wenn die Schlangen vor Kneipen- und Toilettentüren lang sind. Wenn alle die gleiche Sprache sprechen … in der Stadt mit K (nicht in Amerika, schalalala ;-)). Wenn alle Kölle sind. Dann hat man das Gefühl zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein. Die Kölner Gruppe “Klüngelköpp” hätte es nicht besser für mich singen können:

“Wenn am Himmel die Stääne daanze
Un dr Dom sing Jlocke spillt
Jo dann weiß ich, dat ich doheim bin
Jo daheim bin, heh am Ring.”

Ihr Lieben: es war mir ein Fest, mit euch zu feiern!

IMG_7947

IMG_7941

IMG_7997

Huch, vor lauter Köln-Seligkeit habe ich ganz vergessen, dass ich im Auge eines Schneesturms sitze. Ich bin dann noch mal …

Dicke Flocken, die neben kleinen Eiskörnchen seitlich herein wehen, sind übrigens auch was feines. Ich könnte eigentlich gleich draußen bleiben, aber dann würde der Beitrag hier ja nicht fertig. Übrigens wurden während meiner Schaufel-Phase alle “after school activities” für heute abgesagt. Ich bin gespannt, wann der morgige Schultag gecancelt wird. Das wäre in diesem Jahr der erste “Snow-Day” … in den letzten beiden Winter durften die Kids jeweils 5 Tage zuhause bleiben. Nicht nur wegen der Schnee-Mengen. Wenn das Quecksilber unter – 20 Grad rutscht, möchte niemand eine Frostbeule am Kind verantworten.

So, fertig … just in time für die nächste Runde Schnee schippen.